Fortbildung: Als Literaturübersetzerin zur Übersetzerkonferenz

Literarische Übersetzer sitzen gefühlt zwischen allen Stühlen. Im Sachbuchbereich für das breite Publikum sowieso – keine „richtige“ Literatur, aber auch kein „richtiger“ Fachtext. Auf den zwei Übersetzerkonferenzen im Oktober profitierte ich dennoch von den Anregungen der versammelten Kollegen und Fachleute.

1. Dialogkonferenz des DVÜD in Hamburg

Im Mittelpunkt der ersten Konferenz des Übersetzerverbands DVÜD e.V. stand der Dialog zwischen der Zunft der Sprachmittler und der deutschen Wirtschaft. Literaturübersetzer erzählen Geschichten und malen sprachliche Bilder, ob im Sachbuch oder in der Belletristik. Sie tragen dazu bei, dass Inhalte um die Welt wandern und in allen Sprachen diskutiert werden können, und erschließen ihren Autoren ein neues Publikum. Ein klares Selbstverständnis als Dienstleister und Geschäftspartner der Verlage erleichtert den Lektoren das Leben. Damit waren alle Anregungen zur Gewinnung von Neukunden wie auch zur Kundenpflege von hohem Wert für mich.

Hinzu kamen Einblicke in die Schwerpunkte der Kollegen. Meine persönlichen Highlights: Caterina Saccani vermittelte in ihrem Workshop „Best Practices zur SEO-Übersetzung von Webseiten“ Hintergrundwissen, das auch für meine verschiedenen Blogs interessant ist. Der Vortrag von Krishna-Sara Helmle erklärte, inwiefern „Leichte Sprache“ für die gesellschaftliche Teilhabe bestimmter Personengruppen relevant ist und worauf beim Übersetzen und Formulieren zu achten ist. Und der Vortrag zur „Agenda xl8 2020“ von Dr. Jens Wegmann ließ das Publikum am zweiten Konferenztag immer ungläubiger gucken, bis der ganze Saal Tränen lachte. Eine gelungene Überraschung!

Frischer Wind um die Nase bei der Hafenrundfahrt

Frischer Wind um die Nase bei der Hafenrundfahrt

Unbezahlbar: Die vielen Kollegen, die man nur virtuell kennt, endlich einmal persönlich zu erleben, insbesondere unser Beirat-Team vom DVÜD. Das war Networking vom Feinsten, und einige Gesichter durfte ich eine Woche später auf der völlig anders ausgerichteten Trikonf im Badenländle wiedersehen.

2. Trikonf 2015 in Freiburg im Breisgau

Das Übersetzungsvolumen nimmt zu; das Tempo, in dem eine Übersetzung druckreif fertig sein soll, zieht ebenfalls an. Auf der diesjährigen Trikonf, dreisprachig organisiert vom Team der Alexandria Library, gab es eine geballte Ladung an Techniktipps zur Arbeitserleichterung. Eine kleine Auswahl:

2.1 Eigene Daten ausgraben mit dtSearch

Dank des Vortrags von CAT-Guru Dominique Pivard kann ich demnächst meine Datenschätze aus 25 Jahren gezielt durchsuchen. Das Programm dtSearch fahndet auf ebenso intelligente wie leicht bedienbare Weise in Dateien aller Art nach den gewünschten Suchwörtern. Denn vor fünf, zehn oder 15 Jahren wusste ich noch nicht, wonach ich heute suchen möchte. Umgekehrt weiß mein Gehirn aber: „So was Ähnliches hast du schon mal gemacht.“ Aber für welchen Kunden und in welchem Jahr? Und was war das für ein Dateiformat? Geniale Idee am Rande: Eine persönliche Zeitschriften- oder Zeitungssammlung aus diversen Jahren in PDF-Form nach bestimmten Begriffen durchsuchen, um den sich wandelnden Sprachgebrauch nachzuvollziehen.

Das Gehirn weiß: „So was Ähnliches hast du schon mal gemacht.“ Aber für welchen Kunden und in welchem Jahr? Und was war das für ein Dateiformat?

2.2 PDF-Konvertierung in Word-Dateien

Beim „Gläsernen Übersetzer“ auf der Frankfurter Buchmesse sieht man Kollegen auch mit Übersetzer-Tools arbeiten. Wichtige Gründe dafür sind Zeitplanung, Vollständigkeit, Überarbeitungsfunktionen und eine übersichtliche Darstellung, aber auch die Einbindung vorhandener Glossare.

Dafür müssen häufig die druckfertigen PDF-Dateien in Word-Dateien konvertiert werden. Einfachste Voraussetzung dafür ist ein les- und kopierbares PDF; ansonsten muss eine OCR-Erkennung ran (viele Übersetzer schwören auf AbbyFineReader oder Infix; ich selbst komme fast immer mit OmniPage 18 zurecht). Solche Dateien bedürfen jedoch der Nachbearbeitung. Ellen Singer verriet, wie man enttäuschende OCR-Ergebnisse durch intelligentes Suchen/Ersetzen in brauchbare Ausgangsdateien umwandeln kann. Extraarbeit bleibt die Nachformatierung mit diesen Tricks immer noch, aber so hält sich der Aufwand in akzeptableren Grenzen. Diese Tipps konnte ich gleich diese Woche umsetzen!

2.3 Spracheingabe – Sprachausgabe

Diktieren ist für Übersetzer aus zwei Gründen von Vorteil: Gesundheitlich hilft es gegen typische Berufskrankheiten wie Karpaltunnelsyndrom, RSI-Syndrom (Mausarm), Nackenschmerzen und Kopfschmerzen (durch langes Sitzen und Verspannungen) – sowohl vorbeugend als auch im Notfall, wenn nichts mehr geht, aber der Abgabetermin naht. Diktieren kann aber auch die Qualität der Übersetzung heben, weil gesprochene Sprache natürlicher klingt – das kann in der Literatur insbesondere bei Dialogen von Vorteil sein.

Eine Standarddiktiersoftware für Übersetzer ist „Dragon’s Naturally Speaking“ (DNS), aktuell in der Version 13. Christian Alkemper erläuterte, wie man den Drachen optimal einsetzt, trainiert und sein Vokabular erweitert, ging aber noch weiter: Er präsentierte auch die verblüffend logische Idee, sich den übersetzen Text zur Korrektur vorlesen zu lassen, und demonstrierte dafür die verschiedenen Funktionen des linguatec Voice Readers.

3. Fazit

Konferenzen sind kostspielig, denn zum Konferenzticket gesellen sich Fahrtkosten, Hotel und Verpflegung. Die Trikonf wird doppelt kostspielig, weil nun diverse neue Programme auf der Wunschliste stehen. Andererseits möchte ich auch weiterhin von meinem Beruf leben können und dabei gesund bleiben.

Künftig muss ich hoffentlich nicht mehr (wie dieses Jahr) interessante Aufträge zu meinen Leib- und Magenthemen ablehnen, weil ich in einem bestimmten Zeitraum eben nur bestimmte Textmengen bearbeiten kann. Oder es bleibt bei gleichbleibendem Arbeitsaufkommen mehr Zeit zum Lernen, Lesen und Bloggen, bis ich mich mit freiem Kopf auf das nächste Projekt einlasse. Genüsslich den neuesten Bestseller lesen, statt Seminare zu Selbstorganisation und Work-Life-Balance zu besuchen? Ganz in meinem Sinne!

Imke Brodersen

Ein Blog von Imke Brodersen über Bücher, Autoren und den Alltag einer Literaturübersetzerin. A German literary translator's blog on books, authors, and translating in general. By Imke Brodersen.

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