Bücher übersetzen, Teil 4: Weißt du, was du alles weißt?

Wie ich den Fuß ins Literaturübersetzen bekam, habe ich im ersten Post dieser Serie erzählt. Und dieses Geschäftsmodell reichte mir etliche Jahre vollkommen aus – ich hatte reichlich und regelmäßig zu tun und konnte dank großzügiger Erziehungsurlaubsregelungen sehr flexibel für meine drei Kinder da sein.

Auftragsflaute

1999 allerdings fielen ein Umbruch in der Gesetzeslage („Scheinselbstständigengesetz“) und in der Verlagspolitik zeitlich zusammen. Plötzlich blieben die Aufträge aus, und es herrschte ziemlich bald Ebbe in der Kasse. Natürlich schrieb ich neue Verlage an, aber jeder Verlag hat bestimmte Stammübersetzer für seine Hauptthemengebiete und weiß oft schon bei der Manuskriptauswahl, wem er einen bestimmten Text anvertrauen möchte. Also hagelte es erst einmal Absagen.

Tipp 10 für angehende Literaturübersetzer:

In guten Zeiten finanzielle Rücklagen bilden, möglichst für mehrere Monate!

Dieser Tipp gilt natürlich für jeden Freiberufler oder Unternehmer, ganz besonders aber für alle Kreativen.

Unternehmerisches Denken

Auf die Kalkulationsgrundlagen und die soziale Absicherung gehen wir später noch ein. An dieser Stelle kann ich nur jedem aus eigener Erfahrung ans Herz legen:

Tipp 11 für angehende Literaturübersetzer:

Gib dich keinesfalls längerfristig mit einem einzigen Kunden zufrieden.

An der Denkfalle, mit diesem einen Auftrag oder Kunden vollauf ausgelastet zu sein, ist schon mancher Unternehmer gescheitert. Sei es, dass der Kunde plötzlich andere Schwerpunkte setzt oder andere Dienstleister wählt (die Konkurrenz schläft nicht); sei es, dass er finanzielle Schwierigkeiten hat und nicht zahlen kann (oder will).

Mir persönlich half in dieser Situation die Frage, die ich mir seither regelmäßig stelle, um meine Positionierung zu überprüfen:

Weißt du, was du alles kannst und weißt?

Als ich das damals aufschrieb, war es verflixt viel. Aufbauend auf meinen Kenntnissen als Fachübersetzerin für Medizin hatte ich mir peu à peu und über Jahre ein breites Wissen über Ernährung, Lebensmittelallergien, spezielle Diäten und Naturheilkunde angeeignet. Mit diesem Hintergrund bewarb ich mich bei diversen Verlagen, die hierauf spezialisiert waren.

Und wieder half der Zufall: Einer Lektorin gefiel mein Anschreiben so gut, dass sie mich anrief, und wir ein nettes Gespräch führten. Sie hatte zwar keinen Auftrag für mich, empfahl mich später aber einem Kollegen, der gerade eine Übersetzerin mit meinen Spezialkenntnissen suchte. Nach dem ersten erfolgreich abgeschlossenen Auftrag hatte ich wieder eine Referenz mehr. Inzwischen übersetze ich mehr Ratgeber und Sachbücher als Fantasy und habe mich auf das Gebiet Ernährung und Diabetes spezialisiert.

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Auswahl meiner Übersetzungen zum Thema Ernährung

Tipp 12 für angehende Literaturübersetzer:

Erstelle ein Portfolio mit Themen, in denen du dich wirklich gut auskennst.

Und dann überlege dir, wer an diesem Wissen Interesse haben könnte. Wer würde davon profitieren, dass du deine Spezialkenntnisse und deine Formulierungskünste für seine Bücher nutzt?

Solche potenziellen Auftraggeber solltest du kontaktieren – und zwar ohne den Druck, unbedingt im nächsten Monat den nächsten Auftrag zu erhalten (siehe auch Teil 1, „Der erste Auftrag“). Akquise ist gerade im Literaturbetrieb eine langfristige Angelegenheit und hat mitunter erst nach Monaten und über mehrere Ecken Erfolg.

Wie ein zweites Standbein NICHT aussehen sollte, erklärt euch am einleuchtendsten Mox in seinem Cartoon zum Thema Diversifizierung (tolles Blog, danke, Mox!).

Waren diese Tipps hilfreich? Habt ihr eigene Geheimtipps? Alle Posts dieser Serie findet ihr mit dem Stichwort „Bücher übersetzen“ (oder die entsprechende Kategorie anklicken). Ich freue mich über Ergänzungen und Rückmeldungen.

Imke Brodersen

Ein Blog von Imke Brodersen über Bücher, Autoren und den Alltag einer Literaturübersetzerin. A German literary translator's blog on books, authors, and translating in general. By Imke Brodersen.

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